Neuwahl, US-Wahl und Ukraine

Interview der Frankfurter Rundschau vom 13.11.2024

Wenn Trump Hilfen einstellt: 
SPD-Außenpolitiker will US-Waffen kaufen und an Ukraine geben

Von Moritz Maier

Donald Trump will die Hilfen für die Ukraine einstampfen. SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagt, Europa könne die Ukraine dann alleine unterstützen.

Berlin – Die vergangenen Tage haben im politischen Berlin für viel Nervosität gesorgt. Der Wahlsieg von Donald Trump ist für Nils Schmid, Obmann der SPD im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, eine Bedrohung für die Demokratie. Doch selbst wenn Trump seine Drohung wahr machen und die Ukraine nicht mehr unterstützen würde, hält der Sozialdemokrat das Überleben des Landes für möglich. Auf die Neuwahlen angesprochen, erklärt Schmid im Interview, warum Kanzler Scholz erst im Januar die Vertrauensfrage stellen wollte.

Herr Schmid, Donald Trumps Sieg verdeutlicht den weltweiten Aufstieg des Populismus und autokratischer Politiker. Demokratien scheinen machtlos. Was muss geschehen, damit Menschen sich nicht weiter vom System abwenden?

Trumps Wahl ist eine große Bedrohung für die amerikanische Demokratie. Er hat offen erklärt, dass er politische Gegner verfolgen lassen will, und stellt die Gewaltenteilung infrage. Das ist für die Strahlkraft von Demokratien ein großer Nachteil, denn weltweit orientieren sich viele an den USA. Die Wahl hat gezeigt, was die Menschen bewegt. Die schlichte Frage: Geht es euch besser als vor vier Jahren? Das gilt auch in Europa, in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft, steigender sozialer Ungleichheit und Verunsicherung der Bevölkerung.

Verstärkt das Ampel-Aus nicht gerade diese Verunsicherung der Menschen?

Deshalb ist es auch so wichtig, dass Bundeskanzler Scholz ungeachtet des Ausscheidens der FDP jetzt schnell Lösungen für den Industriestrompreis, die Unterstützung der Autoindustrie und der Zulieferer organisiert. Da darf es keine weitere Verzögerung geben. Wir wissen, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die unzureichende Ausstattung von Schulen und teurer Nahverkehr Triebfedern für politische Unzufriedenheit sind. Es geht für uns darum, Ergebnisse zu erzielen, also gut zu regieren. Das macht sich fest an den Brot- und Butter-Themen, und das wird auch im kommenden Bundestagswahlkampf der Schwerpunkt sein.

SPD-Politiker Schmid zu Neuwahlen: „Ordnungsgemäße Durchführung braucht ein Mindestmaß an Zeit“

Bis zu den Neuwahlen droht aber der Stillstand, Sie haben keine Mehrheit mehr. Reformen bei der Rente, der Pflege und den Krankenhäusern stehen auf der Kippe, und die Union knüpft ihre Zustimmung an frühe Neuwahlen.

Jetzt ist keine Zeit für parteitaktische Spielchen, es gilt, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen. Die Krankenhausreform ist im Bundestag bereits beschlossen und muss nur noch durch den Bundesrat. Das Rentenpaket und der Abbau der kalten Progression sind Gesetzesvorhaben, bei denen auch die Oppositionsparteien zustimmen sollten. Gerade die Zeit bis zur Vertrauensfrage muss dafür genutzt werden.

Kanzler Scholz kündigte die Vertrauensfrage ursprünglich für den 15. Januar an. Wieso erst so spät?

Die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen braucht ein Mindestmaß an Zeit, um die verfassungsrechtlich gebotene Chancengleichheit aller Parteien – auch der kleinen – zu gewährleisten. Da geht es um das Sammeln von Unterschriften, die Aufstellung der Kandidaten, die Listen und um Parteitage. Das braucht Zeit, und die Behörden müssen das auch alles prüfen. Nach weiterer Prüfung wird nun ein etwas früherer Wahltermin angestrebt. Aber es bleibt die Verantwortung gegenüber unserer Demokratie, das ordentlich vorzubereiten.

Ukraine-Krieg: SPD-Außenpolitiker will US-Waffen kaufen und an Ukraine geben

Während der innenpolitischen Krise in Deutschland geht Putins Krieg in der Ukraine unvermittelt weiter. Der neu gewählte Präsident Trump hat bereits angekündigt, die Ukraine-Hilfen einzustampfen. Haben Deutschland und die EU überhaupt noch die Mittel, die Niederlage der Ukraine zu verhindern?

Wir dürfen die Ukraine auf keinen Fall hängen lassen. Putins Aggression darf nicht belohnt werden. Wir sind finanziell gut vorbereitet, es gibt einen Beschluss der G7 über 50 Milliarden Euro Hilfe für die Ukraine, dazu haben wir noch Mittel aus dem eingefrorenen russischen Staatsvermögen. Wenn diese Gelder aufgebraucht sind, müssen wir diese Schritte entweder wiederholen, oder die europäischen Staaten müssen ihre Schuldenregeln flexibilisieren, um die militärische Unterstützung der Ukraine zu finanzieren.

Das Geld ist die eine Sache. Die Ukraine braucht aber vor allem Waffen. Sollte Trump diese nicht mehr liefern, was können wir dann tun?

Es wird weiterhin darauf ankommen, die amerikanischen Rüstungskapazitäten zu nutzen, denn für Munition brauchen wir Fabriken, und die europäischen Kapazitäten reichen nicht aus. Selbst bei einem Rückzug der Amerikaner müssen wir auf ihre verteidigungsindustriellen Kapazitäten zugreifen können. Ich gehe nicht davon aus, dass Trump ein Waffenembargo von Rüstungsgütern an die Ukraine verhängt, wenn die amerikanischen Firmen damit Geld machen können.

Das heißt, Deutschland und die EU würden im Fall der Fälle Waffen von den USA kaufen und sie an die Ukraine weitergeben?

Ja, in Verbindung mit den Gütern aus eigener Produktion, die ja bereits deutlich hochgefahren wurde. Außerdem haben auch asiatische Länder wie Südkorea eine sehr leistungsfähige Rüstungsindustrie. All das kann aber nur gelingen, wenn wir an die Schuldenbremse herangehen und auch anderen europäischen Staaten ermöglichen, von den Schuldenregeln der EU in diesem Fall abzuweichen.

Sie sind also überzeugt, dass die Ukraine überleben kann, selbst wenn Trump seine Unterstützung einstellt?

Das kann gelingen. Die Wirtschaftskraft allein der EU und Großbritanniens ist so groß, dass wir in der Lage sind, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Das muss es uns wert sein. Wenn wir das nicht tun, wäre der Preis, den auch wir zahlen müssen, deutlich höher.

 

Quelle: fr.de