Waffenlieferungen in die Ukraine

Artikel zur Entscheidung im Bundestag.

Dieser Beitrag von Nils Schmid erschien zuerst in der Zeitschrift "vorwärts" (6. Mai 2022)

 

Putin darf den Krieg um die Ukraine nicht gewinnen. Um ihn zu ernsthaften Friedensverhandlungen zu zwingen, muss die Ukraine mit Waffen unterstützt werden. Auch von Deutschland.

Die schrecklichen Bilder und Berichte, die uns seit über zwei Monaten tagtäglich aus der Ukraine erreichen, sind kaum zu ertragen. Die Gräueltaten in Butscha, der Raketenangriff auf den Bahnhof von Kramatorsk, die zerbombten Wohnhäuser von Mariupol – sie alle zeigen, mit welcher Brutalität die russische Armee in der Ukraine vorgeht. In dieser dunklen Stunde stehen wir fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich mit großem Mut und Tapferkeit gegen den barbarischen Überfall Russlands verteidigen. Ich bin froh, dass der Bundestag vergangene Woche mit einer überwältigenden Mehrheit für den gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, FDP und Union gestimmt und damit ein starkes Zeichen der fraktionsübergreifenden Solidarität mit der Ukraine gesetzt hat.

Der Bundestag hat mit dem Antrag klar Stellung bezogen, in dem er den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins und die schrecklichen Kriegsverbrechen der russischen Armee aufs Schärfste verurteilt. Das russische Regime zertrümmert unsere europäische Friedensordnung und greift mit dem Krieg gegen die Ukraine auch unsere Freiheit und unsere europäischen Werte an – auch das haben wir klar benannt.

Deutschland darf nicht Kriegspartei werden

Mit dem Antrag bekennt sich auch die großen Mehrheit des Parlaments zu den drei tragenden Prinzipien der Regierungspolitik: Erstens ist für uns klar, dass weder Deutschland noch die NATO zur Kriegspartei werden darf. Darauf hat sich die Nordatlantische Allianz bereits vor dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands festgelegt. Wichtig ist auch, dass unser Bundeskanzler diesen Grundsatz stets in seinen öffentlichen Äußerungen hervorhebt und klar unterstrichen hat, dass er alles dafür tun wird, um eine Eskalation hin zu einem Dritten Weltkrieg zu verhindern. Zweitens gibt es keine nationalen Alleingänge. Alle Entscheidungen werden eng mit unseren Partnern in EU und NATO abgestimmt. Erst dadurch entfalten sie ihre volle Wirkung.

Unser drittes handlungsleitendes Prinzip ist, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen darf. Als Antwort auf die russische Aggression haben wir gemeinsam mit unseren Partnern in Europa, Nordamerika und der Welt Sanktionen von historischem Ausmaß beschlossen – und dabei nicht nur Putin und sein Umfeld ins Visier genommen, sondern auch die russische Wirtschaft hart getroffen. In enger Koordinierung mit unseren Verbündeten übt die Bundesregierung zudem politischen Druck auf das russische Regime aus – etwa im Rahmen der Telefondiplomatie des Kanzlers. Drüber hinaus stehen wir den notleidenden Menschen mit humanitärer Hilfe zur Seite und stellen der Ukraine umfassende finanzielle Mittel zur Verfügung – und das nicht erst seit dem russischen Überfall: So hat Deutschland seit 2014 etwa zwei Milliarden Euro in die Stabilisierung der Ukraine investiert.

Waffenlieferungen sind notwendig

Mit Blick auf die aktuelle Kriegssituation ist aber auch klar, dass Waffenlieferungen gerade ein notwendiges Instrument sind, um die Ukraine zu unterstützen. Denn das russische Regime kann nur zu ernsthaften Verhandlungen gezwungen werden, wenn sich das militärische Kräfteverhältnis zugunsten der Ukraine verschiebt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die beschlossenen Waffenlieferungen weiter fortsetzen und beschleunigen. Dazu gehört auch die Lieferung sogenannter schwerer Waffen wie die Gepard-Flugabwehrpanzer. Damit unterstützen wir die Ukraine im Einklang mit der UN-Charta bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung und verhindern, dass Russland den Krieg auf andere Länder ausdehnt.

Bei jedem ihrer Schritte muss die Bundesregierung sorgfältig abwägen und darauf achten, dass die NATO nicht zur Kriegspartei wird. Bei jeder Entscheidung hat sie sicherzustellen, dass es dadurch zu keiner Schwächung der Landes- und Bündnisverteidigung kommt. Und bei jeder Maßnahme gilt es, diese eng mit den Verbündeten abzustimmen. Für diese neuartige und hochkomplexe Situation gibt es kein fertiges Drehbuch und keine einfachen Antworten – auch wenn das in der öffentlichen Debatte über das Für und Wider einzelner Maßnahmen oft untergeht. Ich würde mir wünschen, dass wir überschießende Übertreibungen vermeiden könnten, wenn wir über solch schwierige Entscheidungen diskutieren – und zwar egal, ob wir uns im Plenarsaal oder in den sozialen Medien aufhalten. Vielmehr sollten wir es wie der Bundeskanzler tun und die Debatte mit heißem Herzen und kühlem Kopf führen.

Ich bin froh, dass sich die Union dem Antrag der Ampel-Koalition angeschlossen hat und damit unseren umfassenden Ansatz unterstützt, der neben Waffenlieferungen beispielsweise auch die Strafverfolgung der Kriegsverbrechen, die Auswirkungen des Krieges auf die globale Ernährungssicherheit und die Rolle Chinas im Konflikt einbezieht. Es ist zu hoffen, dass CDU/CSU auch bei künftigen Vorhaben im Rahmen der Zeitenwende auf pragmatische Zusammenarbeit mit der Ampel setzt – und wir gemeinsam das wichtige „100-Milliarden Sondervermögen Bundeswehr“ auf den Weg bringen können.