So stärken wir die europäische Säule in der Nato

Für SPD und Labour ist das gemeinsame Bekenntnis zur Nato unerschütterlich. Es ist das wichtigste Verteidigungsbündnis für Europa. Unsere Gastautoren erklären, warum sie sich dennoch für ein deutsch-britisches Verteidigungsabkommen einsetzen.

Gastbeitrag von John Healey MP und Nils Schmid, MdB, auf deutsch erschienen bei WELT online am 19.07.2022.

Ende Juni hat die Nato in Madrid ein neues strategisches Konzept beschlossen. Darin wurde bestätigt, dass der Krieg in der Ukraine „den Frieden zunichte gemacht und unser Sicherheitsumfeld schwerwiegend verändert“ hat und Russland „die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten“ darstellt. Das strategische Konzept zeigte aber auch klar auf, dass dieses Verteidigungsbündnis der Demokratien einen verlässlichen gemeinsamen Weg in die Zukunft bietet, denn „Investitionen in die Nato sind der beste Weg, den fortwährenden Bund zwischen den europäischen und nordamerikanischen Verbündeten sicherzustellen“.

Verantwortung übernehmen

Für Labour und die SPD ist das gemeinsame Bekenntnis zur Nato unerschütterlich, und die Nato ist das wichtigste Verteidigungsbündnis für Europa. Wir teilen den Wunsch, dass die Nato die Grundlage für eine starke Partnerschaft zwischen unseren Ländern bildet, und gehen davon aus, dass die europäischen Nato-Mitglieder bereit sein werden, mehr Verantwortung für die europäische Sicherheit zu übernehmen. Deutschland als Teil der EU und das Vereinigte Königreich sollten für eine starke europäische Säule in der Nato eintreten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat von einer „Zeitenwende“ in Europa gesprochen, die durch Putins Krieg verursacht wurde. Auch Labour hat die konservative Regierung des Vereinigten Königreichs immer wieder aufgefordert, einen Neustart im Hinblick auf die Verteidigungsplanung zu unternehmen.

Dies ist im Zusammenhang mit dem tiefgreifenden Bekenntnis von SPD und Labour zu internationalen Regeln und multilateralen Strukturen zu sehen. Das strategische Konzept der Nato stellt fest, dass die Gegner versuchen, „multilaterale Normen und Institutionen vorsätzlich zu untergraben“. Wir sind aus gutem Grund überzeugt, dass unsere Parteien SPD und Labour eine eigenständige Sicherheitsagenda anbieten können und sollten. Wir sind uns der durch Ungleichheit, Klimawandel und Wasser- und Nahrungsmittelknappheit sowie unzureichender Gesundheitsversorgung verursachten Sicherheitsbedrohungen bewusst.

Aber wir sind uns auch bewusst, dass dies mit angemessenen Investitionen in unsere Streitkräfte und militärischer Zusammenarbeit einhergehen muss. Aus diesem Grund ist Krisenprävention eine der drei Kernaufgaben der Nato, und das Bündnis „sollte die führende internationale Organisation dafür werden, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit zu verstehen und sich entsprechend anzupassen.“

Mehr militärische Zusammenarbeit

Die Stärkung der Industriekooperation durch gemeinsame Beschaffungsprogramme ist eine der sichtbarsten und wichtigsten Formen der militärischen Zusammenarbeit. Wir sehen dies am Beispiel des gepanzerten Transportfahrzeugs vom Typ „Boxer“ für die britische Armee, bei dem die Fahrzeuge im Vereinigten Königreich hergestellt werden und dabei Expertise, Daten und Zusammenarbeit aus Deutschland zum Tragen kommen. Weitere Kooperationsprojekte sind die Kampfflugzeuge vom Typ „Tornado“ und „Eurofighter“, die Europas Sicherheit gewährleistet haben. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, die Energiesicherheit mithilfe von Projekten für Offshore-Windkraftanlagen zu erhöhen und damit unsere klima- und sicherheitspolitischen Ziele zu erreichen.

Wir möchten die Möglichkeiten für ein Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland nach dem Vorbild des Lancaster-House-Abkommens ausloten, das beide Länder ermutigt, mögliche zukünftige Programme zu suchen und darüber zu beraten; ein solches Abkommen könnte zwischen einer SPD- und Labour-Regierung nach deren Wahl erarbeitet werden. Ähnlich wie der Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich könnten dadurch auch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in der Verteidigungsindustrie verbessert, die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen verstärkt und gemeinsame Rüstungsexporte erleichtert werden. Darüber hinaus würden wir regelmäßige gemeinsame Regierungskonsultationen unterstützen, die über den begrenzten Dialog in der gemeinsamen Absichtserklärung über die deutsch-britische Zusammenarbeit vom Sommer 2021 hinausgehen.

Die EU hat gezeigt, dass sie mit ihren Sanktionen gegen Russland, der technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Unterstützung für die Ukraine und den Plänen zur Verbesserung der militärischen Mobilität einen wesentlichen Beitrag für Verteidigung und Sicherheit leisten kann; daher heißt es im strategischen Konzept zu Recht, dass „[d]ie Europäische Union [...] ein einzigartiger und unentbehrlicher Partner für die Nato [ist]“.

Labour und die SPD setzen sich für eine bessere, einander ergänzende Zusammenarbeit zwischen EU und Nato ein, und Labour wird versuchen, einen Sicherheitspakt mit der EU zu schmieden, um damit die Sicherheit des Vereinigten Königreichs und der EU zu stärken. Für Deutschland ist die EU das zentrale nationale Interesse. Eine funktionierende Partnerschaft mit der EU auf der Grundlage von Vertrauen und Zusammenarbeit beispielsweise im Bereich der Sicherheit liegt ganz klar auch im nationalen Interesse des Vereinigten Königreichs.

Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren Parteien und unseren Ländern: gemeinsame Bedrohungen, den gemeinsamen Bedarf an modernen und schlagkräftigen Streitkräften, aber auch eine ehrgeizige Agenda zur Bekämpfung von Ungleichheit und Unsicherheit sowie die gemeinsame Bereitschaft zur engeren Zusammenarbeit - bilateral und auch zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Diese Beziehungen würden auf Verlässlichkeit und Respekt beruhen und die europäischen Sicherheit stärken. Das Beispiel Ukraine hat gezeigt, dass Verbündete und Bündnisse eine wichtige Rolle spielen. Und wir sind davon überzeugt, dass Deutschland und das Vereinigte Königreich ihre Kraft zum Wohlergehen der Welt stärker einsetzen können, wenn beide Länder enger zusammenarbeiten.

John Healey ist Schatten-Verteidigungsminister der Labour Partei.

Nils Schmid ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.