Wie umgehen mit China?

Mareike Ohlberg sprach bei der SPD Nürtingen über die neue Seidenstraße.

Über 100 Neugierige kamen in den Saal des Schlachthofbräus in Nürtingen, um über den Umgang Deutschlands und Europas mit China zu diskutieren. Die rege Debatte zeigte, wie hochaktuell und brisant das Thema auch vor dem Hintergrund des russischen Kriegs in der Ukraine ist.

Der vom SPD-Ortsverein Nürtingen organisierte Gesprächsabend war hochkarätig besetzt. Der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Müller freute sich, mit Mareike Ohlberg eine gefragte und exzellente Kennerin Chinas und des dortigen politischen Systems am Neckar zu begrüßen. Ohlberg ist Sinologin und Autorin des Spiegel-Bestsellerbuchs „Die lautlose Eroberung“. Sie studierte in Harvard und Taipeh und promovierte an der Universität Heidelberg in China-Studien. Ihr Buch wirkte wie ein Weckruf in vielen Ländern des Westens. Der Nürtinger SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid ergänzte das Podium als Experte für die deutsche Außenpolitik in seiner Funktion als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

„Wir müssen gegenüber China viel bewusster agieren“, leitete Ohlberg ihren Vortrag ein. Ob das neue Seidenstraßenprojekt Chinas Chance oder Bedrohung sei, sei schwer zu fassen, da weltweit ein buntes Sammelsurium darunter gefasst werde, vom deutsch-chinesischen Chorprojekt bis zu eindeutig militärischen Maßnahmen der Volksbefreiungsarmee. Klar sei aber, dass Chinas Außenpolitik als Bedrohung für Europa und Deutschland angesehen werden müsse.

Sie legte dar, wie China mit Infrastrukturprojekten in verschiedenen Teilen der Welt versucht Abhängigkeiten zu schaffen und Einfluss zu nehmen. Auch in Deutschland versuche China durch Unternehmen wie zum Beispiel Huawei Abhängigkeiten herzustellen. Ein weiteres Ziel der chinesischen Einflussnahme könnten Universitäten darstellen, von denen Ohlberg fordert, dass deren Finanzierung offen gelegt wird: „Es muss untersucht werden, welche Unternehmen, aber auch welche staatlich geförderten Einrichtungen wie zum Beispiel Universitäten von China abhängig sind oder mitfinanziert werden.“ Das Ziel hinter dem Vorgehen Chinas sei weniger die wirtschaftliche Stärkung des Landes, sondern die Unterbindung von Kritik am chinesischen politischen System, das von Unterdrückung der politischen Opposition, massiver Repression der Bevölkerung und der extremen Verletzung von Menschenrechten wie zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bevölkerungsgruppe der Uiguren gekennzeichnet sei.

Eine Zuhörerin fragte, wie derlei Abhängigkeiten abgebaut werden könnten. Darauf ging Nils Schmid in seinem anschließenden Beitrag ein: „Hier stehen die Unternehmen in der Pflicht, um andere Märkte, wie zum Beispiel in Indien, der ASEAN-Region oder in Afrika, zu erschließen. Wir als Politik können dabei helfen, dass Lieferketten näher an Europa heranrücken. Dabei spielt die europäische Erweiterung eine wichtige Rolle.“ Gleichzeitig gestand er zu, dass es für Unternehmen wie die großen Automobilhersteller schwierig sei, sich vom chinesischen Absatzmarkt zu lösen. Es müsse aber klar sein, dass für unternehmerische Entscheidungen später nicht die Politik die Feuerwehr spielen könne.

Einig zeigte sich Schmid mit Ohlberg, dass die sogenannte Konvergenzthese im Falle Chinas hinfällig sei. Gemeint ist der Versuch, China wirtschaftlich einzubinden und in den offenen Dialog zu treten, um so gesellschaftliche Liberalisierung und Demokratisierung in China zu befördern. „Der Diskurs mit China muss sich grundlegend verändern“, warb Ohlberg. Menschrechtsverletzungen dürften nicht mehr nur in Hinterzimmern angesprochen werden, sondern europäische Werte müssten offen und nachdrücklich herausgestellt werden. „Wir dürfen Außenpolitik nicht auf Außenwirtschaftspolitik reduzieren“, schloss sich Schmid an

Anschließend konnten sich die Gäste in die Diskussion einbringen, was ausgiebig genutzt wurde. Auch hier waren die beherrschenden Themen die Einflussnahme Chinas auf weite Teile der Welt, wie zum Beispiel den südamerikanischen Kontinent, sowie die massiven Menschenrechtsverletzungen Chinas. Es kam zum Ausdruck, dass die Abhängigkeit der deutschen Unternehmen von China ein hausgemachtes Problem sei, da die Unternehmen viel zu lange auf China als Zulieferer gesetzt hätten. Die Unterdrückung Tibets und Taiwans durch China wurde ebenso angesprochen wie die Repression des eigenen Volkes zum Beispiel durch das Sozialpunkte-System. Auf eine mögliche Veränderung des politischen Systems durch die Bevölkerung Chinas könne in naher Zukunft nicht gesetzt werden, dämpfte Ohlberg entsprechend formulierte Hoffnungen, da die Kommunistische Partei Chinas unter Xi Jinping sehr gut darin sei, überregionale Kommunikation von zum Beispiel Menschenrechtsaktivisten und eine Vernetzung der Bevölkerung zu unterbinden. Für einen merkbaren Schock im Publikum sorgten Befürchtungen, dass erzwungene Organtransplantationen von politischen Häftlingen durchgeführt werden könnten. Dafür gebe es zwar keine Beweise, stellte Ohlberg klar, aber doch gewisse Hinweise. So könne man in China anders als in Deutschland einen Termin für eine Organtransplantation vereinbaren.

Quelle und Fotos: SPD Nürtingen