Nationale Sicherheitsstrategie: Ampel einig in der Außenpolitik

In seinem Artikel für den Vorwärts erklärt Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, warum die nationale Sicherheitsstrategie die Handlungsfähigkeit der Ampelregierung demonstriert und was der Beschluss des Bundeskabinetts beinhaltet.

Erstmals hat Deutschland eine nationale Sicherheitsstrategie. Die Ampel-Koalition will so die Wehrhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen wachsende Bedrohungen von außen erhöhen. SPD-Außenexperte Nils Schmid erklärt warum.

Mit der Veröffentlichung der Nationalen Sicherheitsstrategie demonstriert die Ampelregierung Handlungsfähigkeit und setzt ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Gerade in diesen turbulenten Zeiten ist es wichtig, dass wir nun einen Kompass zur Hand haben, der Orientierung gibt – sowohl für uns in Deutschland als auch für unsere Partner weltweit.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit nach der letzten Bundestagswahl, als ich als Mitglied der zuständigen Arbeitsgruppe den Koalitionsvertrag im Bereich Außen, Sicherheit, Verteidigung, Entwicklung und Menschenrechte mitverhandelt habe. Trotz inhaltlicher Differenzen gelang es, eine internationale Politik aus einem Guss zu entwerfen. Einig waren wir uns, dass es aufgrund der vielfältigen Bedrohungslage einer ganzheitlichen Sicherheitspolitik bedarf – weshalb wir die Bundesregierung mit der Erarbeitung einer Nationalen Sicherheitsstrategie beauftragten.

Nils Schmid verurteilt „barbarischen Angriffskrieg“ Putins

Wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zertrümmerte Putin mit seinem barbarischen Angriffskrieg die Grundfesten unserer europäischen Friedensordnung. „Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor“, so formulierte es Bundeskanzler treffend in seiner Zeitenwende-Rede vom 27.02.22, für die wir Abgeordnete drei Tage nach dem russischen Überfall an einem Sonntag in den Bundestag gekommen waren. Ich bin froh, dass wir in diesen stürmischen Zeiten einen Sozialdemokraten im Kanzleramt haben, der auf die neuen Realitäten besonnen und entschieden reagiert hat. Es war zudem richtig, dass sich die Bundesregierung die notwendige Zeit genommen hat, um eine wirklich umfassende Nationale Sicherheitsstrategie für die „Welt danach“ zu erarbeiten.

Der Angriffskrieg Russlands hat unseren Blick auf die vielfältigen Bedrohungen von außen geschärft und eine neue Dynamik in die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland gebracht. Unser sicherheitspolitisches Umfeld wird allerdings auch maßgeblich von Entwicklungen geprägt, die wir bereits im Koalitionsvertrag benannt haben. So beobachten wir bereits seit längerem eine zunehmend multipolarer werdende Ordnung, in der autoritäre Staaten ihre nationalen Interessen immer robuster verfolgen. Wir sehen eine sich zuspitzende Klimakrise, die vor allem in instabilen Gegenden als ein gefährlicher Risikomultiplikator wirkt – mit Auswirkungen auch auf uns. Und wir stellen eine erhöhte Gefahr durch Desinformation und Cyberangriffe fest.

Politik der Integrierten Sicherheit

Bereits die Aufzählung dieser ausgewählten Bedrohungen zeigt, dass äußere und innere Sicherheit immer stärker miteinander verschmelzen. Deshalb ist es zentral, dass die Sicherheitsstrategie einen umfassenden Ansatz verfolgt, der alle Ebenen und Akteure miteinbezieht – Bund, Länder, Kommunen, aber auch Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Nationale Sicherheitsstrategie definiert Sicherheitspolitik umfassend und auf den einzelnen Menschen ausgerichtet. Deshalb entwirft sie folgerichtig eine Politik der Integrierten Sicherheit. Diese basiert auf drei zentralen Säulen:

An erster Stelle steht unsere Wehrhaftigkeit, für die wir eine modern ausgestattete Bundeswehr benötigen, die ihre zentrale Aufgabe erfüllen kann: die Landes- und Bünd­nisverteidigung. NATO und EU sind unsere Lebensversicherung, die wir weiter stärken werden. Und auch internationales Krisenmanagement bleibt wichtig für ein Deutschland, das sich seiner Verantwortung stellt.

Gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeiten reduzieren

Zweitens rückt die Sicherheitsstrategie auch das Thema Resilienz in den Vordergrund. Um widerstandsfähiger zu werden, reduzieren wir gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeiten durch kluge Diversifizierung. Wir setzen uns für eine regelbasierte internationale Ordnung ein, in der die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt. Und wir verbessern unsere Abwehrfähigkeiten im Cyberraum.

Und drittens erkennen wir den Bereich Nachhaltigkeit als zentral an. Für uns und die kommenden Generationen erwachsen aus den Folgen der Klimakrise und der Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen eine fundamentale Bedrohung. Deshalb sind für unsere Sicherheit Erfolge im Kampf gegen die Klimakrise und bei der Erhaltung der Artenvielfalt maßgeblich, wie auch bei der Verhinderung globaler Gesundheitskrisen.

Chinastrategie soll folgen

Dank der Ampelkoalition besitzt die Bundesrepublik zum ersten Mal eine Nationale Sicherheitsstrategie. Deren Veröffentlichung markiert den Endpunkt eines inklusiven Dialogprozesses, in den viele Akteure einbezogen wurden – u.a. die Ressorts der Regierung, die Bundesländer, internationale Partner, Expert*innen und eine Vielzahl von Bürger*innen, die bei Debattenveranstaltungen teilgenommen haben. Jetzt gilt es, das fertige Papier breit zu diskutieren, wie wir es diese Woche im Bundestag tun werden.

Die Publikation der Sicherheitsstrategie bedeutet auch den Start für weitere Vorhaben, die wir im Geiste der Koalitionsverhandlungen vorantreiben sollten, wie die Erstellung der Chinastrategie. Die strategische Kultur in Deutschland, die wir durch die Erarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie gestärkt haben, sollte nun von uns allen weiterentwickelt werden. Und ich bin davon überzeugt, dass sich künftige Regierungen an diesem beispielhaften Prozess orientieren und eigene Nationale Sicherheitsstrategien erarbeiten werden.

Der Artikel erschien online im Vorwärts: https://vorwaerts.de/artikel/nationale-sicherheitsstrategie-ampel-einig-aussenpolitik