"Es braucht einen Mentalitätswandel in den Behörden"

Der Nürtinger SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid traf den Kirchheimer AK Asyl, um über die Flüchtlingspolitik der Ampel-Koalition und die Lage vor Ort in Kirchheim zu sprechen.

Viel wird in letzter Zeit über die hohe Zahl Geflüchteter und die damit einhergehende Überforderung der Kommunen diskutiert. Um über die Lage in Kirchheim und die aktuelle Flüchtlingspolitik der Ampel zu sprechen, hat der AK Asyl daher den SPD-Bundestagsabgeordneten Nils Schmid eingeladen. Neben den ehrenamtlichen Helfern haben auch Hauptamtliche des Flüchtlingssozialdienst und der Integration teilgenommen.  

Zum Einstieg berichtete der Nürtinger Bundestagsabgeordnete über aktuelle gesetzgeberische Vorhaben: Die Ampel-Koalition habe lang anstehende Maßnahmen wie etwa das Chancenaufenthaltsrecht in ein Gesetz gießen können, wofür lange Zeit die Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat gefehlt hätten. Dadurch können Geduldete, die schon lange in Deutschland sind und sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis beantragen. Auch eine Reform des Staatsangehörigkeitsrecht sei in Arbeit. Der Sozialdemokrat betonte, dass es aber jetzt auch Maßnahmen brauche, um die Migration besser zu steuern. Dafür reformiere man auf europäischer Ebene gerade das Asylsystem. National brauche es aber schnellere Entscheidungen. Die Verfahrensdauern beim Asylantrag seien viel zu lang. Es brauche auch mehr Geschwindigkeit bei der Bewilligung von Visa oder dem Familiennachzug, um die Asylverfahren zu entlasten. Auch bei der Ausstellung von Arbeitserlaubnissen haperte es oft, erklärten die Anwesenden. So werden die betroffenen Stellen oft neu vergeben, weil die Ausstellung der benötigten Dokumente zu lange dauere. Schuld daran sei häufig ein Personalmangel. Gleichzeitig müsse man aber auch die Verfahren entschlacken und stärker digitalisieren, betonte der Bundestagsabgeordnete. Zudem brauche es einen Mentalitätswandel in den Behörden: „Wir müssen mehr in Chancen denken, nicht in Risiken.“

Doch das Personal fehlt nicht nur in den Behörden. Auch das Angebot an Sprachkursen sei zu niedrig, weil dafür die Lehrer fehlten. Viele Lehrkräfte seien Honorarkräfte, die sich aufgrund des unsicheren Arbeitsverhältnisses oft für eine anderweitige Festanstellung entscheiden würden. Gerade Frauen, etwa aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern, könnten zudem häufig keinen Sprachkurs besuchen, weil die Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder nicht gegeben seien, berichteten die Anwesenden. Dabei ist gerade das Erlernen der deutschen Sprache besonders wichtig für die Integration. 

Schmid merkte an, dass auch die Unterbringung verbessert werden müsse. So sollten Menschen ohne Bleiberecht nicht auf die Kommunen verteilt werden. Die Länder hätten aber ihre Erstaufnahmekapazitäten so weit abgebaut, dass dies nicht mehr möglich sei. Er befürwortete daher, dass der AK Asyl auch den Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz der in Baden-Württemberg regierenden Grünen für ein Gespräch eingeladen hat.  Auch die von der Ministerpräsidentenkonferenz vorgeschlagenen Asylverfahren in Drittstaaten waren Gesprächsthema. Schmid betonte, dass diese nur unter Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und unter Federführung der Vereinten Nationen ausgelagert werden dürfen. Man könne diese zudem mit Migrationsabkommen und damit legalen Wegen für die Arbeitsaufnahme in Deutschland verknüpfen. 

Marianne Gmelin, langjähriges Mitglied des AK Asyl, äußerte sich besorgt über die Wortwahl über Geflüchtete. Diese mündeten häufig in hetzerische Aussagen. Der Grund für eine Flucht nach Deutschland sei nicht, wie oft behauptet, die Sozialleistungen, sondern die Tatsache, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist.