Mit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres ist der Konflikt zwischen Israel und Palästina wieder eskaliert. Noch immer fliegen Raketen auf Israel, israelische Geiseln werden weiterhin in Gaza festgehalten. Gleichzeitig führt Israel seinen militärischen Feldzug gegen die Hamas mit aller Härte.
Rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen daher am Donnerstag, 20. Juni, in die Echterdinger Zehntscheuer, um mit dem Nahost-Experten Stephan Stetter von der Universität der Bundeswehr München und MdB Nils Schmid die Frage zu erörtern: „Israel und Palästina - Ist Frieden jemals möglich?“. Der SPD Ortsverein Leinfelden-Echterdingen fungierte als Mitveranstalter und sorgte für die Bewirtung der Gäste.
„Der brutale terroristische Angriff der Hamas in Israel vom 7. Oktober war das größte Massaker an Juden seit der Shoa“, stellte Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu Beginn fest. Der Angriff sei der Ausgangspunkt der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung Israels gegen die Hamas im Gazastreifen. Die deutsche Bundesregierung stehe solidarisch an der Seite Israels, stehe aber gleichzeitig auch für die Achtung des humanitären Völkerrechts und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes ein: „Der Konflikt lässt sich nur politisch lösen. Es braucht eine Zwei-Staaten-Lösung“.
Stetter verwies in seinem Vortrag darauf, dass man es mit zwei tief traumatisierten Gesellschaften zu tun habe: Bei den Israelis sei die Erinnerung an die Shoah noch allgegenwärtig und das Sicherheitsbedürfnis entsprechend groß, bei den Palästinensern wirke die Nakba, also die eigene Vertreibung im Zuge des ersten arabisch-israelischen Kriegs und der israelischen Staatsgründung 1948, nach. Auch wenn eine Zwei-Staaten-Lösung die wohl einzige Lösung sei, um den Konflikt dauer-haft zu lösen, sei es bis dahin ein weiter Weg, so Stetter: Weder in Israel noch in Palästina gibt es derzeit politische Mehrheiten dafür. Stetter ordnete den Konflikt auch historisch ein, beginnend mit der Niederlage des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg und dem Einsetzen Großbritanniens als Mandatsmacht Anfang der 1920er Jahre. Schon damals war eine Zwei-Staaten-Lösung angedacht. Weitere Zäsuren waren der Sechs-Tage-Krieg 1967 und der Jom-Kippur-Krieg 1973.
Hoffnung kam 1993/1994 mit dem Osloer Friedensprozess auf, den Stetter als „Jahrhundertereignis“ bezeichnete. Es sei ein ernsthafter Versuch gewesen, Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Leider konnten die bestehenden Konflikte aber nicht nachhaltig gelöst werden und es gab keinen Friedensschluss. In der Annahme, dass der Konflikt nicht eskalieren werde, haben ab den späten 2000er Jahre die verschiedenen Regierungen Netanjahu und die Hamas den Konflikt nur noch gemanagt. Eine Zwei-Staaten-Lösung sei nun nicht mehr vorgesehen gewesen. Spätestens mit dem 7. Oktober 2023 sei dieses Konfliktmanagement endgültig gescheitert. Wie kann ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern erreicht werden? Eine Ein-Staaten-Lösung, so Stetter, halte er angesichts des immer nationalistisch werdenden Settings für nicht möglich. Ein neuer Friedensprozess, ein Oslo II, sei aber vorstellbar. Damit dieser funktionieren könne, brauche es aber mehr internationales Engagement. Gleichzeitig müssten die Gemeinsamkeiten zwischen Israelis und Palästinensern mehr hervorgehoben werden. „Auch die Anerkennung Palästinas etwa durch die EU hilft, um das Ziel der Friedenslösung und der Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen“, so der Nahost-Experte.
Schmid als außenpolitischer Sprecher der SPD betonte abschließend, dass es in einem ersten Schritt zu einem Waffenstillstand kommen müsse, in dessen Zuge alle israelischen Geiseln freigelassen werden und humanitäre Lieferungen in den Gazastreifen erfolgen können. In einem zweiten Schritt müsse eine politische Perspektive aufgezeigt werden, weil der Konflikt nur so dauerhaft lösbar sei. Dabei brauche es internationale Unterstützung und auch politischen Druck, etwa durch die USA, arabische Nachbarstaaten oder die EU: „Aus eigener Kraft werden das Israel und die Palästinenser nicht hinbekommen“.
Stadträtin Barbara Sinner-Bartels dankte dem Referenten Stetter, dem Büro Schmid und den eigenen Helferinnen und Helfern vom SPD-Ortsverein Leinfelden-Echterdingen für die Durchführung der Veranstaltung zu einem wichtigen Thema, das auch viele Menschen in Leinfelden-Echterdingen beschäftigt, wie das große Interesse deutlich gemacht hat.