Die Kirchen in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen, auch im Landkreis Esslingen. Ihre gesellschaftliche Rolle ändert sich, immer weniger Menschen in Deutschland sind Mitglied einer Kirche. Über die Auswirkungen auf das katholische Dekanat Esslingen-Nürtingen hat der Nürtinger SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid mit Dekan Volker Weber gesprochen.
Durch den demografischen Wandel und durch Kirchenaustritte hat die katholische Kirche in Deutschland im vergangenen Jahr rund 400.000 ihrer Mitglieder verloren. Schwindende Mitgliederzahlen bedeuten aber nicht nur weniger Menschen in den Gottesdiensten. Es gebe immer weniger Menschen, die bereit seien, sich ehrenamtlich in der Kirche zu engagieren, etwa in der Jugendarbeit, bei der Organisation von Seniorenaktivitäten oder auch im Kirchengemeinderat, berichtete Weber.
Zudem sinken durch die fehlenden Mitglieder die Kirchensteuer-Einnahmen. Weil zusätzlich auch die Betriebskosten steigen und bis 2040 Klimaneutralität erreicht werden will, sehen sich die Kirchengemeinden mit einem finanziellen Defizit konfrontiert. Daher hat Bischof Gebhard Fürst kurz vor seiner Emeritierung ein Projekt in Kraft gesetzt, bei dem der Bestand nichtsakraler Gebäude auf 70 Prozent reduziert werden soll. So soll auch verhindert werden, dass die Kirche im Kreis Esslingen ihr soziales Engagement zukünftig einschränken muss. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist etwa das seit 2019 bestehende Projekt „TürÖffner“ der Caritas Fils-Neckar-Alb. „Es geht darum, leerstehenden Wohnraum zu gewinnen und Menschen zu vermitteln, die sonst schlechte Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt haben“, so der Dekan. Eigens dafür angestellte Mitarbeiter der Caritas übernehmen das Matching zwischen Mieter und Vermieter und betreuen anschließend das Mietverhältnis. Schmid stellte fest: „Trotz ihres veränderten Stellenwerts in der Gesellschaft übernehmen die Kirchen in Deutschland mit ihrem sozialen Engagement weiter eine große Aufgabe für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Die katholische Kirche im Kreis ist mit Blick auf die Herkunft der Gläubigen vielfältig: Mittlerweile habe fast jeder vierte Katholik eine andere Staatsangehörigkeit, so Weber. Zweidrittel sind italienischer oder kroatischer Herkunft. Vielfach seien die Familien zwar schon in der dritten Generation in Deutschland, aber es kommen dennoch neue dazu. Im Landkreis sind daher je vier muttersprachliche Gemeinden für Italiener und Kroaten eingerichtet. „Sie bieten die Möglichkeit, in der Muttersprache Gottesdienste zu feiern und auch Kultur und Tradition zu leben“, freut sich der Dekan.
Weber ist nicht nur Dekan, sondern auch leitender Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde Neckar-Aich. Daher ließ sich Schmid auch die Gelegenheit einer Führung des Hausherrn durch die 2021 renovierte Paulus-Kirche in Neckartenzlingen nicht nehmen. Er lobte das neue offene Konzept der Kirche: „Sie wirkt nun besonders einladend, modern und hell!“