Warum der Vertrag von Aachen mutig und notwendig ist

Nils Schmid über einen Meilenstein der Deutsch-Französischen Beziehungen. Erschienen im "Vorwärts" am 21. Januar 2019.

Am Dienstag werden Deutschland und Frankreich den Vertrag von Aachen unterzeichnen. Er wird die deutsch-französischen Beziehungen vertiefen und beide Staaten verzahnen. Zugleich soll er eine neue Dynamik entfalten, um auch die Einheit Europas voranzubringen.

Europa befindet sich in äußerst turbulenten Zeiten. Dem deutsch-französischem Tandem kommt deshalb eine besonders wichtige Rolle zu, denn es hat sich die Stärkung der europäischen Integration zum Ziel gesetzt.

Aus Feinden wurden Freunde

Historisch gesehen war die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich durch viel Leid geprägt. Bezeichnungen wie „Franzmann“ oder „Boche“ sind Begriffe, die einst dazu dienten, sich abfällig über die Menschen jenseits und diesseits des Rheins zu äußern. Das Verhältnis zu unserem französischen Nachbarn wurde vor mehr als 100 Jahren noch als „Erbfeindschaft“ bezeichnet. Gerade vor diesem Hintergrund war der vor 56 Jahren unterzeichnete Élysée-Vertrag von herausragender Bedeutung. Erst dieser Vertrag ermöglichte die Aussöhnung zwischen unseren beiden Nationen.

Mit „Élysée 2.0“ beziehungsweise dem Vertrag von Aachen werden sich die deutsch-französischen Beziehungen vertiefen, weiterentwickeln und die Zivilgesellschaften noch näher zusammengebracht. Zugleich soll der Vertrag eine Dynamik entfalten, um auch die Einheit Europas und die damit verbundene Verpflichtung diese zu schützen, weiter voranzubringen. Die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Staaten stellt keinen Sonderweg dar: Sie ist ausdrücklich offen für andere Mitgliedstaaten der EU. Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist und bleibt in die Europäische Union eingebettet. Der neue Vertrag verzahnt unsere beiden Staaten und ist zugleich ein Schlüssel zur Stärkung der europäischen Einigung.

Viele positive Impulse

Aachen als Wahl des Unterzeichnungsortes des neuen Vertrages ist nicht zufällig gewählt. Sowohl für uns Deutsche als auch für die Franzosen ist Aachen von großer historischer Bedeutung, denn es ist die Stadt Karls des Großen. Zugleich ist es die Stadt, in der seit 1950 die Karlspreisträger ausgezeichnet werden, wie etwa Martin Schulz im Jahr 2015, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben. Und genau in diesen europäischen Kontext ist der neue Vertrag von Aachen einzuordnen.

Viele positive Impulse werden vom Aachener Vertrag ausgehen. Dieser enthält Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz und Sprunginnovationen. Die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik soll vertieft werden. Darüber hinaus sind die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums, grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung oder die enge Verknüpfung von Eisenbahn und digitalen Netzen vorgesehen. Der Vertrag sieht zudem die Schaffung eines gemeinsamen Bürgerfonds zur Unterstützung von Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften vor.

Zusammenarbeit der Grenzregionen

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll durch eine sogenannte Experimentierklausel gestärkt werden. Diese erlaubt es künftig den Regionen in Eigenverantwortung grenzüberschreitende Problemlösungen etwa im Öffentlichen Personen Nahverkehr zu entwickeln. Die Absenkung von bestehenden Standards ist hierbei ausdrücklich untersagt. Dies alles könnte und sollte beispielgebend für andere Grenzregionen in Europa sein, etwa mit unseren östlichen Nachbarländern Polen und Tschechien.

Ergänzt wird der Vertrag durch eine Vorhabenliste, die parallel unter Mitwirkung der Bundesländer, der Regionen und der Zivilgesellschaften erarbeitet wurde. Darin werden konkrete Projekte aufgelistet, etwa aus den Bereichen Kultur, Bildung und Forschung oder Umwelt- und Klimaschutz.

Parlamente beraten gemeinsam

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass auch die parlamentarische Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Bundestag und der Assemblée nationale künftig noch enger werden wird. Deutsche und französische Parlamentarier werden mindestens zwei Mal im Jahr in einer gemeinsamen Versammlung zu Beratungen zusammenkommen. Das ist einmalig. Neu und wegweisend zugleich im Hinblick auf die Verständigung zwischen unseren beiden Staaten.

Wir brauchen diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, einen gemeinsamen Motor, denn es geht nicht nur um die Zukunft unserer beiden Länder, sondern auch um die Zukunft unseres Kontinents. Der Vertrag von Aachen ist daher ein mutiger und notwendiger Schritt.